Schreibe dein Haiku

Bild: Canva

In diesem Blog lernst du die traditionelle japanische Gedichtform „Haiku“ kennen, die dein Schreiben in eine völlig neue Richtung führen kann. 

Und als Extra für alle Krimi-Fans: Entdecke eine besonders spannende Variante – das „Dark Haiku“. Keine andere Textsorte garantiert Gänsehaut in nur 17 Silben! 

Hast du Lust, direkt mitzumachen? Dieser Blogartikel ist praxisnah aufgebaut – du brauchst nur Stift & Papier und hältst am Ende dein fertiges Werk in den Händen.

Zuerst schauen wir auf die Basics: 
Was genau ist ein Haiku ĂĽberhaupt?

Vielleicht ist dir der Begriff schon einmal begegnet – in einem Schreibworkshop, in der Schule oder auf Social Media. Vielleicht hast du sogar schon selbst eines verfasst. Hier kommt ein kompaktes Update mit den wichtigsten Grundlagen:

Ein Haiku (japanisch: äżłĺŹĄ) ist eine traditionelle japanische Gedichtform, die in drei Zeilen mit 5-7-5 Silben ein flĂĽchtiges Bild, meist aus der Natur, verdichtet. Ohne Reim und oft ohne Erklärung fängt es einen Moment ein – still, präzise und offen fĂĽr Interpretation. 

Besonders fasziniert mich am Haiku, dass sich dieses elegante Gedicht erst im Erleben des Lesers vervollständigt. Im Text wird nur wenig gesagt, Gefühle nur angedeutet. Erst deine Gedanken machen das Bild komplett! 

Ein bekanntes Beispiel:

Fliegt die gefallene
BlĂĽte zurĂĽck an den Zweig?
Ein Schmetterling!


                         von Arakida Moritake (1473-1549)

(Anmerkung: Durch die Ăśbersetzung variiert die Silbenzahl.)

FĂĽr dich als Schriftsteller/in und Literaturinteressierte/r bietet das Haiku eine besondere Ăśbung in Reduktion, Beobachtung und sprachlicher Klarheit: Es schärft den Blick fĂĽrs Wesentliche, lädt zur Achtsamkeit ein und zeigt, wie viel Tiefe in wenigen Worten liegen kann.

Warum sich das Üben wirklich lohnt 

Ein Haiku zu schreiben kann für Autoren und Leser eine wertvolle, inspirierende Erfahrung sein – hier sind einige Gründe, warum du es ausprobieren solltest:

Ein Haiku zwingt dich, mit sehr wenigen Worten auszukommen (traditionell 5–7–5 Silben). Dadurch lernst du, präzise und klar zu formulieren – eine essenzielle Fähigkeit für jeden Schreibenden.

Haikus greifen oft flĂĽchtige, alltägliche Naturbeobachtungen auf. Dieses Innehalten und genaue Hinsehen stärkt deine Fähigkeit zur Achtsamkeit – sowohl beim Schreiben als auch beim Lesen.

Die formale Begrenzung (Silbenstruktur, kein Reimzwang, meist Naturbezug) ist eine kreative Herausforderung. Gerade diese Einschränkung setzt oft überraschende Impulse frei.

Das Haiku stammt aus Japan und trägt eine tiefe kulturelle und philosophische Tradition (Zenkultur, Naturverbundenheit, Vergänglichkeit). Sich darauf einzulassen, erweitert den eigenen Horizont. Damit wird das Schreiben zur kleinen Reise in eine andere Denkweise.

Ein Haiku ist kurz, du brauchst kein großes Projekt. Gerade wenn du wenig Zeit hast oder feststeckst, kann ein Haiku neue Energie bringen – durch ein sofortiges Erfolgserlebnis.

Drei Zeilen – und du hast ein Gedicht geschaffen!

Silbe fĂĽr Silbe zum Ziel

Du bist dir nicht sicher, was als Silbe zählt? Dann schauen wir noch mal gemeinsam drauf:

Eine Silbe ist ein Lautabschnitt eines Wortes, die sich um einen Vokal (a, e, i, o, u) bildet. Beim Klatschen kannst du sie gut hören: Für jede Silbe klatschst du einmal.

Beispiel:
„Re-gen-trop-fen“ → 4 Silben → 4 Klatscher

So lässt sich ein Haiku leicht auf seine 5–7–5-Silbenstruktur prĂĽfen – einfach laut sprechen und mitklatschen!

Ich persönlich gehe pragmatisch mit der Silbenzahl um – wenn es nicht hundertprozentig passt, ist es auch nicht schlimm. Die Stimmung zählt! 

Der Trick mit der Schablone

Um ein Haiku zu schreiben, gibt es eine einfache Hilfestellung, die ich dir nun vorstelle. 

Zuerst benötigst du als Material zwei Blätter oder einfach eine neu aufgeschlagene Doppelseite in deinem Notizbuch. 

Die linke Seite ist fĂĽr deine Notizen – auf der rechten entsteht dein Haiku. 

Hier erstellst du dir nun eine Schablone: Mache in 3 Zeilen jeweils 5, 7 und 5 Unterstriche. Darauf kannst du deine Silben einfach platzieren, ohne viel zählen zu müssen. Eine praktische Grundlage für dein Haiku!   

Alles fertig? Dann kann es nun losgehen: 

1. Wähle einen Moment oder eine Beobachtung

Nimm etwas Konkretes und Sinnliches – oft aus der Natur:
z. B. fallende Blätter, Nebel am Morgen, ein Vogelruf.

Tipp: Achte auf das, was du siehst, hörst, fühlst oder riechst – ein starker Haiku lebt vom Detail.


2. SpĂĽre die Stimmung

Was macht dieser Moment mit dir?
Ein Haiku beschreibt nicht nur was ist, sondern lässt eine Stimmung mitschwingen: Ruhe, Melancholie, Staunen, Vergänglichkeit.


3. Form: 3 Zeilen, 5–7–5 Silben

Traditionell wird auf Reime verzichtet, auch Satzzeichen sind optional. Die Sprache sollte einfach, klar und direkt sein.


4. Vermeide Erklärungen – zeige, statt zu sagen

Statt „Abschied“  lieber:

Grau glänzt der Bahnsteig,
Regen tropft von der Scheibe. 
Stumm – ein letzter Blick. 

Lass das Bild fĂĽr sich sprechen.


5. Feinschliff: KĂĽrzen, schärfen, verlangsamen

Lies dein Haiku laut.
Klingt es ruhig und bildhaft? Stimmt der Rhythmus? Streiche alles, was zu viel erklärt oder ablenkt.


Bonus: Saisonwort & Gedankenschnitt

In der japanischen Tradition enthält ein Haiku oft ein Kigo (Jahreszeitenwort) und ein Kireji (Schneidewort). Das ist kein Muss – aber spannend zu erkunden, wenn du tiefer eintauchen willst.

Ein Kigo weist auf eine bestimmte Jahreszeit hin und gibt dem kurzen Gedicht sofort einen größeren Kontext. 

Typische Beispiele:

Ein Kireji hingegen ist ein „Schneidewort“, das einen Bruch und damit Spannung erzeugt. 

Wirkung des Kireji:

Das oben zitierte Haiku mit dem Schmetterling ist dafĂĽr ein schönes Beispiel. 

Kigo und Kireji geben deinem Gedicht also noch mehr Struktur, Stimmung und eine zweite Bedeutungsebene. Gerade fĂĽr Autor/innen lohnt es sich, diese Elemente als poetische Werkzeuge auszuprobieren.


Und nun: Beobachte – notiere – verdichte.
Dein Haiku beginnt dort, wo du innehältst.

Klassische Haikus sind eng mit der Natur verbunden – doch genau hier beginnt deine kreative Freiheit: Du kannst das Prinzip übernehmen und in ein ganz anderes Genre übertragen!

Wie wäre es zum Beispiel mit einem Krimi? 

Ein sogenanntes Krimi-Haiku oder Dark Haiku greift die formale Struktur (3 Zeilen, 5–7–5 Silben) auf, erzeugt aber bewusst eine unheimliche, düstere oder spannungsgeladene Atmosphäre.

Hier einige Beispiele:

Knirschende Schritte.
Eiszapfen – spitz wie Schwerter. 
Blut tropft in den Schnee. 

Urlaub in Schweden:
Hand in Hand durch Birkenwälder.
Gift’ger Pilz im Korb.

Autorennen nachts –
Sterne glitzern ĂĽberm Ziel.
Bremsen kreischen laut. 

Ideal für (Krimi-)Autor/innen, die effizient mit Sprache umgehen und düstere Gefühle ausloten wollen – und vielleicht sogar eine ganze Szene in nur drei Zeilen erzählen …

Warum also nicht einmal das Genre wechseln – und den Schrecken verdichten?

Übrigens sind auch völlig neue Varianten denkbar – zum Beispiel ein Fantasy-Haiku oder Romance-Haiku … 

Viel Freude beim Puzzeln mit Silben! 

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